Widerrufsrecht der Verbraucher nach Vertragserfüllung

In einer neueren Vorlage-Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes zur Frage, ob ein Unternehmer bei einem berechtigten Rücktritt des Verbrauchers wegen unterlassener Widerrufsbelehrung nach dem FAGG (Fernabsatz- und Auswärtsgeschäftegesetz) einen Anspruch auf Bereicherung hat, weil der Werklohnanspruch im Zuge des Vertragsrücktritts weggefallen ist, kam der Europäische Gerichtshof zu einem sehr verbraucherfreundlichen Ergebnis: Der Verbraucher schuldet dem Unternehmer nichts, selbst wenn der Unternehmer seine Leistung zur Gänze erbracht hat. Bereits geleistete Anzahlungen hat der Unternehmer an den Verbraucher zurückzuzahlen. Der Verbraucher kann in vielen Fällen die unternehmerische Leistung behalten, ohne etwas dafür zahlen zu müssen. Das an sich vierzehntägige Widerrufsrecht nach dem FAGG beträgt bei unterlassener Widerrufsbelehrung insgesamt ein Jahr und 14 Tage! Innerhalb dieser Frist kann ein Konsument vom Vertrag, sofern das Rechtsgeschäft unter das FAGG fällt und und außerhalb der Geschäftsräumlichkeiten abgeschlossen wurde, zurücktreten, die Leistung in aller Regel jedoch behalten.

Zur Verkehrssicherungspflicht des Gastwirts und des Lift- und Pistenbetreibers gegenüber einem Tourengeher

In einer Entscheidung des OGH vom 08.11.2022 hat das Höchstgericht durchaus interessante Ausführungen zur Frage des Umfangs von Verkehrssicherungspflichten von Pistenbetreibern gegenüber Schitourengehern, die nach dem regulären Pistenbetrieb abfahren, und Schutz- und Sorgfaltspflichen eines Hüttenwirts gegenüber seinen Gästen, die nachts nach Verlassen der Schihütte diese Pisten als Abfahrt benützen wollen, getroffen.

Hoch qualitativer Bodenaushub ist kein Abfall.

Der EuGH hat in einer aktuellen Entscheidung (Porr gg Österreich) aufgrund eines Vorabentscheidungsersuchens im Verfahren C 238/21 entschieden, dass nicht kontaminierter Bodenaushub von höchster Qualität nicht als „Abfall“ einzustufen ist. Das hat nicht nur für die Bauwirtschaft in Österreich weitreichende Folgen, weil in der Vergangenheit Bodenaushub idR immer als Abfall galt und die Entsorgung und Deponierung von Erdreich und Bodenaushub mit hohen Kosten und auch mit ALSAG – Gebühren [€ 9,20/t auf Bodenaushub] verbunden war.

Erbrecht: Pflichtteil versus Schenkung an nicht pflichtteilsberechtigte Personen

Der Wert einer Schenkung, die bei der Pflichtteilsbemessung dem Nachlass hinzuzurechnen ist, ist nach § 788 ABGB für den Zeitpunkt, in dem sie wirklich gemacht wurde (Vermögensopfertheorie), zu ermitteln und anschließend bis zum Todestag mit dem VPI wertgesichert zu indexieren.

Wird eine Immobilie zu Lebzeiten des Erblassers geschenkt, ist konkret der Zeitpunkt des Einlangens des Gesuchs um Verbücherung des Eigentumsrechtes für die Bewertung entscheidend.

Änderung der Rechtslage für Erbfälle nach dem 1.1.2017: Vor Inkrafttreten des ErbRÄG 2015 wurde das Vermögensopfer bei Fruchtgenussrechtsvorbehalt erst mit dem Todeszeitpunkt erbracht (zB 2 Ob 199/20h), nunmehr – infolge der neuen Rechtslage seit dem 1.1.2017 – schiebt ein dem Erblasser vorbehaltenes Fruchtgenussrecht den Bewertungszeitpunkt nicht hinaus.

Fazit: Eine Schenkung wirkt dann nicht pflichtteilserhöhend, wenn die beschenkte Person selbst nicht pflichtteilsberechtigt ist und vom Schenkungszeitpunkt an bis zum Tod des Geschenkgebers mehr als zwei Jahre vergehen.

Übrigens: Ein persönliches Recht, das sich der Erblasser vorbehalten hat und das mit seinem Tod erloschen ist (hier: Fruchtgenussrecht), ist bei der Bewertung der hinzurechnungspflichtigen Schenkung nicht wertmindernd zu berücksichtigen. Wenn sich der Erblasser bei der Schenkung ein Nutzungsrecht für einen Dritten vorbehalten hat (hier: Mit-Fruchtgenussrecht für seinen Ehegatten), handelt es sich bei dem Vorbehalt selbst um eine Schenkung, die bei der Pflichtteilsbemessung zur Hinzurechnung und zur Haftung des Dritten als Geschenknehmer nach § 789 ABGB führen kann.

Link: OGH 2 Ob 199/20h

Ehescheidung: Datenschutz contra Grundbuchsrecht – EGMR verurteilt Österreich


Ehescheidung: Datenschutz contra Grundbuchsrecht



Im Rahmen eines gerichtlichen Scheidungsvergleiches wird nicht nur die Ehe zwischen zwei Ehegatten geschieden, sondern es werden darüber hinaus auch Regelungen über den Ehegattenunterhalt, den Kindesunterhalt, die Kindesobsorge, das Kontaktrecht der Eltern zu den Kindern und über vermögensrechtliche Angelegenheiten wie die Aufteilung von Ersparnissen und Vermögen der Eheleute getroffen. Wenn infolge einer Scheidung auch eine Grundbuchsänderung stattfindet (zB ein Ehegatte überträgt seinen Anteil an einer gemeinsamen Ehewohnung an den anderen Ehegatten), genügt es laut der Rechtsprechung des OGH nicht, nur jenen Teil des Scheidungsvergleiches dem Grundbuch zur Genehmigung der Eintragung vorzulegen, sondern es muss der gesamte Scheidungsvergleich mit allen – auch vertraulichen – Punkten dem Grundbuchsgericht vorgelegt werden.

Das wiederum hat zur Konsequenz, dass wegen des grundbuchsrechtlichen Publizitätsprinzips, wonach jedermann Einblick in das Grundbuch und in die Urkunden im Grundbuch nehmen kann, unweigerlich an sensibelste Daten wie Unterhaltshöhe, Höhe von Bankschulden, sämtliche Personaldaten, Einkommenshöhe etc bei Einsicht in den Scheidungsvergleich erhalten kann. Diese Judikatur des Obersten Gerichtshofes 5 Ob 250/15y vom 25.1.2016 missachtet das Grundrecht auf Datenschutz gravierend (neuerdings auch OHG 5 Ob 151/19w vom 24.09.2019)! Jeder kann im Grundbuch in intimste Details und sensibelste private Daten, die nun einmal in einem Scheidungsvergleich enthalten sind und sein müssen, ohne große Mühe einsehen! 

Nun hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) mit dem Urteil vom 08.04.2021, Beschwerde Nr 5434/17, Liebscher / Österreich diese Rechtslage und Grundbuchspraxis endlich als  Verstoß gegen das Grundrecht nach Art 8 EMRK (Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens) gewertet. Nach dem Urteil hat das Grundbuchsgericht im Einzelfall zu prüfen, ob Scheidungsfolgenvergleiche wirklich vollständig in die öffentlich einsehbare Urkundensammlung aufgenommen werden müssen – oder ob nicht doch eine Teilausfertigung genügt.



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Veröffentlichung eines Lichtbilds in einer Facebook-Gruppe kann gegen das Urheberrecht verstoßen

Wird ein Lichtbild ohne Zustimmung des Berechtigten in eine Facebook-Gruppe hochgeladen, so liegt ein Eingriff in das Zurverfügungstellungsrecht nach § 18a UrhG vor, außer es handelt sich um eine private Gruppe. Von einer solchen kann nur dann gesprochen werden, wenn ein persönliches Verbindungsmerkmal zwischen den Gruppenmitgliedern im Sinn eines besonderen Interesses oder eines besonderen Zwecks von vornherein vorgegeben ist, nur bei Vorliegen dieses Merkmals die Aufnahme in die Gruppe durch einen Gruppenadministrator erfolgt und die Teilnahme nur solange möglich ist, solange das verbindende Merkmal besteht. Außerdem darf eine bestimmte Höchstzahl an Gruppenmitgliedern nicht überschritten werden (OGH 4 Ob 89/20x vom 2.7.2020).

Lebensgemeinschaft als Gesellschaft bürgerlichen Rechts?

In einer interessanten neuen Entscheidung des OGH hat dieser seine bisherige Rechtsprechung gefestigt, dass bei der Beendigung einer Lebensgemeinschaft und der damit verbundenen Vermögensaufteilung zwischen den Partnern in vielen Fällen (zB nur ein Lebensgefährte ist Eigentümer einer Wohnung, beide haben den Kredit zurückbezahlt) zu prüfen ist, ob die Lebensgefährten eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts begründet haben. Wenn ja, dann ist neben der formlosen Trennung auch die Gesellschaft aufzulösen. Hier die Entscheidung.OGH vom 24.07.2019

Kurzzeitvermietung von Eigentumswohnungen (zB airbnb) wird erschwert

Touristische Kurzzeitvermietung stellt eine genehmigungsbedürftige Widmungsänderung iSd § 16 Abs 2 WEG 2002 dar. Das heißt, dass es der Zustimmung aller Miteigentümer einer Wohnungseigentumsanlage bedarf, wenn Eigentumswohnungen touristisch (zB airbnb) genutzt werden. Einer gerichtlichen Genehmigung der Widmungsänderung  stehen durch die touristische Nutzung hervorgerufene Beeinträchtigungen wie Lärm, Müll, Beschädigungen, Verstellung der Flucht- und Zugangswege durch Skiausrüstung usw entgegen,  dies auch dann, wenn bereits andere Wohnungen des Hauses für Kurzzeitvermietungen genutzt werden und auch private Gäste von Wohnungseigentümern als Verursacher in Frage kommen. Link zum OGH Erkenntnis

Mittlerweile hat vor kurzem das Bezirksgericht Innere Stadt Wien einem Kläger auf Unterlassung von Kurzzeitvermietung in einer Wohnungseigentumsanlage generell stattgegeben. Das Urteil wurde in 1. Instanz rechtskräftig. Das Gericht entschied, dass eine Wohnung ohne Umwidmung auch nicht für weniger als sechs Monate zu Fremdenverkehrszwecken vermietet werden darf.  So gesehen ist eine Kurzzeitvermietung wie zB airbnb in Wohnungseigentumsanlagen unzulässig, wenn keine 100 %ige Zustimmung der restlichen Miteigentümer vorliegt. Es bleibt abzuwarten, ob diese bezirksgerichtliche Rechtsprechung auch vom OGH in dieser Strenge geteilt werden wird. Ich gehe eher davon aus, dass eine Vermietung während eines eigenen kurzfristigen Ortswechsels (zB Abwesenheit wegen Urlaubsreise) oder wenn die Vermietung nur sehr gelegentlich erfolgt, noch keine Beeinträchtigung schutzwürdiger Interessen anderer Wohnungseigentümer darstellt und daher zulässig sein müsste.

Befristung von Gutscheinen einer Supermarktkette

Befristung von Gutscheinen auf drei Jahre unwirksam

Das Oberlandesgericht Linz hat neulich entschieden, dass die zeitliche Beschränkung der Gültigkeit von Gutscheinen einer Supermarktkette („Geschenkkarten“) auf drei Jahre ab Kaufdatum eine gröbliche Benachteiligung des Kunden darstelle und daher ungültig sei. Ohne vertragliche Vereinbarung verjährt das Recht aus einem Gutschein grundsätzlich erst nach 30 Jahren. Das – aus meiner Sicht nachvollziehbare – Argument der Gutscheinausstellerin, dass bei einer derartig langen Verjährungsdauer Fälschungsgefahr bestehe und in gewissen Zeitabständen neue Sicherheitsstandards etabliert werden müssten, ließ das Gericht nicht gelten.

Haftung des Gastgebers bei Silvesterfeuerwerk

Rechtzeitig vor Silvester hat der Oberste Gerichtshof ein Urteil veröffentlicht, welches für Gastgeber von Silvesterpartys durchaus von Interesse ist. Eine vom Gast gezündete und in weiterer Folge fehlgeleitete Rakete verursachte auf dem Nachbargrundstück einem Brandschaden. Obwohl die Rakete nachweislich nicht vom Gastgeber, sondern von einem Gast gezündet wurde, hat der Oberste Gerichtshof angenommen, dass das Billigen von Feuerwerken auf seinem Grundstück den Gastgeber haftbar machen kann, insbesondere wenn er beim Abfeuern der Raketen auch anwesend war. Im konkreten Fall war ein Feuerwerk im Ortsgebiet zudem rechtlich unzulässig.

zum OGH Urteil